Wer im Dunkel lebt und wem kein Licht leuchtet, der vertraue auf den Namen des Herrn und verlasse sich auf seinen Gott. Jes 50,10
Kürzlich konnte ich einen Gottesdienst in der schönen Pfarrkirche von Glashütte feiern. Sie hat sehr wertvolle, alte Ausstattungsstücke. Ich war ganz überrascht.
Besonders gefallen hat mir die Kanzel. Sie zeigt einen fast lebensgroßen Bergmann, der auf seinem Kopf die Kanzel balanciert. Die Arme sind erhoben, aber sie berühren den Kanzelkorb nicht. So macht der Bergmann einen tänzerischen, leichten Eindruck. Es macht ihm offenbar keine Mühe, mit dem Kopf die ganze Kanzel zu tragen.
Als ich ihn betrachtete, gingen mir einige Gedanken durch den Kopf.
Der hölzerne Bergmann verweist natürlich auf die Bergleute des Erzgebirges, die über Jahrhunderte hier gelebt und gearbeitet haben. Sonntags sind sie in die Kirche gegangen und haben ihr Ebenbild betrachtet. Ja, haben sie gedacht, das ist einer von uns; das bin ich in gewissem Sinne selbst.
Ein Gutteil des Lebens der Bergleute spielte sich unter Tage ab, das ist bekannt. Sie lebten im flackernden Halbdunkel von Öllampen und Laternen und verrichteten körperliche Schwerstarbeit. Der Wohlstand der sächsischen Lande in der frühen Neuzeit geht wesentlich auf sie zurück. Sie hatten einen hohen Preis zu zahlen und vermutlich oft keine Wahl. Denn das Klima und die kargen Böden des Erzgebirges boten vielen kaum eine andere Möglichkeit, sich am Leben zu erhalten. So sind sie Tag für Tag ins Dunkel abgetaucht.
Sie lebten also im Dunkel. Gerade im Herbst und Winter war es noch nicht hell, wenn sie in den Schacht einfuhren. Kamen sie nach getanem Tagewerk wieder heraus, war es schon wieder dunkel. Es ist klar, dass das aufs Gemüt geht. Wir brauchen ein bisschen Sonnenlicht, ganz unbedingt, sonst wird die Seele stumpf und traurig. Ich vermute, oft waren sie mühselig und beladen. Man sagt, dass sich die Schwibbögen in unseren Weihnachtsstuben und auf unseren Marktplätzen dieser Sehnsucht verdanken.
Aber am Sonntag mag es anders gewesen sein. Da gingen sie in ihre Kirche, denn sie waren fromm und wussten um die Kraft des göttlichen Wortes. Da schien die Sonne durch die Fenster und ihr Blick fiel auf den Bergmann, der die Kanzel balanciert. Er hat sich fein gemacht. Er trägt seine Festuniform in makellosem Weiß und Schwarz.
Es ist klar, er hat schwer zu tragen. Es ist nicht nur der Kanzelkorb, zuweilen, in der Predigt, noch der Geistliche dazu. Der will auch noch mitgetragen sein.
Aber unser Bergmann tut dies mit einer bewundernswürdigen Leichtigkeit. Es macht ihm scheinbar nichts aus. Fast, dass aus den Zügen seines Gesichts schon ein leichtes Lächeln herauszulesen ist.
Wie macht der das? Es gibt nur eine Antwort: „Wer im Dunkel lebt und wem kein Licht leuchtet, der vertraue auf den Namen des Herrn und verlasse sich auf seinen Gott.“ Das Leben bleibt schwer, die rechte Balance zu finden ist auch nicht einfach. Aber im Glauben löst sich der Krampf, werden die Hände frei und, wer weiß, ist trotz allem wieder ein kleines Lächeln möglich.
Dazu helfe uns Gott durch sein heilsames Wort, seinen Sohn Jesus Christus, geboren in die Dunkelheit der Nacht.
Ich grüße Sie alle, die Sie diese Zeilen lesen, ganz herzlich in der Advents- und Weihnachtszeit.
Ihr Pfarrer Ilgner