Tageslosung für Samstag, den 28. März 2020

Tageslosung für Samstag, den 28. März 2020

 

"Der HERR hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen." Psalm 147,11

 

Ich habe in Leipzig studiert und erinnere mich, des Öfteren in die "Alten Nikolaischule" eingekehrt zu sein. Man kann dort herrlich Bier trinken. Außerdem ist das Gemäuer ein historischer Ort der Sonderklasse. Denn seit 1498 beherbergte er eine Schule, deren berühmteste Schüler der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz, der Jurist Christian Thomasius und der Musiker Richard Wagner waren. Also ein illustrer Ort.

 

Der Gast sitzt heutzutage im einstigen Klassenzimmer. An der Stirnseite des Raumes, in Blickrichtung der Schulknaben, befindet sich eine verblichene Inschrift. Man hat sie nicht getilgt, obwohl sie nicht in besonders gutem Zustand ist. Es braucht ein wenig Geduld, um die verblichenen, schadhaften Buchstaben zu entziffern. Es steht dort geschrieben: "INITIVM SAPIENTIAE TIMOR DOMINI." (Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Psalm 111,10) Man stelle sich vor, es hat Zeiten gegeben, in denen man Kindern diesen Vers vor Augen stellte.  "Die Furcht des Herrn ..."

 

Unsere Tageslosung redet in einem vergleichbaren Sinne von der Gottesfurcht. Es ist heutzutage ein verbreitetes Motiv, sich darüber zu entrüsten. Was, so lautet die kritische Frage, ist das bitte für ein Gottesbild, das mit einer Furcht Gottes herumoperiert?

 

Nun, die Antwort lautet: Es ist das biblische Gottesbild. Es redet von der Furcht Gottes aus sehr gutem Grund.

 

Zunächst fällt auf, dass der Zeitgenosse sich vor allem möglichen fürchtet. Die Furcht ist allgegenwärtig: aktuell ganz vorn die Furcht vor einer Corona-Infektion, die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die Furcht vor Insolvenzen, die Furcht vor der nächsten Bankenkrise, die Furcht vor der Inflation, die Furcht vor dem Erstarken unliebsamer politischer Gegner. Man könnte noch lange fortfahren. Überall Befürchtungen.

 

Nur die Furcht Gottes scheint es kaum noch zu geben. Das ist sehr aufschlussreich, denn es zeigt, dass ihn scheinbar mächtigere Herren verdrängt haben. Wäre es so, dass die Gottesfurcht am Anfang stünde, fiele der Kleinmut in Betreff der anderen Befürchtungen wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

 

Die Gottesfurcht erwächst aus ganz automatisch aus meinem Versagen. Schon wenn ich die Zehn Gebote durchgehe (es braucht noch gar nicht die Verschärfung, die Christus in der Bergpredigt vornimmt), kommt manches zusammen. Bei mir jedenfalls. Gott hat sein Gesetz gegeben, damit der Lebensraum unserer Mitmenschen vor unseren Übergriffen geschützt werde. Ich attackiere Gott, den Schöpfer und Erhalter des Lebens, indem ich mich gegen meinen Nächsten stelle und lustig so fortfahre wie bisher. Wie sollte ich nicht fürchten müssen, dass er mir hier scharf entgegentritt? (Dies ist der "usus crassus legis", die grobe Funktion des Gesetzes nach Luther.)

 

Nun ist Gott aber ganz gewiss nicht der Vernichter, der uns dafür in Ewigkeit abstraft. Das stellt die Heilige Schrift ganz klar. Darum steht die Gottesfurcht nicht allein, sondern ist in einem Atemzug genannt mit seiner Güte. Der Gedankengang ist folgender: Die Gottesfurcht des Menschen und die Güte Gottes stehen nicht im Widerspruch. Denn es ist ja Gott sich selbst, der sich in Christus für uns aufopfert und unsere Sünden wegnimmt, damit unser Leben wieder in Ordnung kommt. Wir hätten es aus eigener Kraft wohl nicht vermocht. Aber im Glauben an Christus werden wir befreit, seinen Willen zu tun. Daran glauben wir.

 

Jesus spricht: Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter." Markus 3,35

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019