"Du sollst kein falsches Gerücht verbreiten." 2. Mo 23,1
Wen stellt die güldene, geflügelte Figur über dem Glasdach er Kunstakademie Dresden (also auf der "Zitronenpresse") dar? Einen Posaunenengel, sagen die meisten. Nun, es sieht so aus, ist aber nicht der Fall.
Es soll "Fama" sein, das "Gerücht". Die Idee ist natürlich, dass die Botschaft vom Ruhm der Dresdner Kunst gerüchteweise hinausschalle in alle Welt. Das ist nett gemeint. Diese hübsche Engelsdame kann aber nur sehr bedingt für das stehen, was "Fama" eigentlich bedeutet. Es handelt sich hier um eine recht gutmütige Sicht auf diese mythologische Figur der alten Griechen und Römer. Sie stellt so nur noch einen harmlosen Abglanz ihres einstigen Wesens dar.
Der Grieche Hesiod (ca. 700 v. Chr.) sagt: "Pheme (griech. für Fama) ist ihrer Natur nach böse, leicht, oh so leicht aufzulesen, aber schwer zu tragen und kaum mehr abzulegen. Sie verschwindet nie völlig, sobald sie großgeredet ist von der Menge. Tatsächlich ist sie eine Art Göttin." (Werke und Tage)
Der Römer Vergil (in der Aeneis, 1. Jh. v. Chr.) zeichnet sie als ein Wesen, das anfangs noch klein ist, aber mit fortschreitender Zeit bedrohlich anwachsen kann. Natürlich trägt es Flügel. Unter jeder Feder befindet sich ein aufgerissenes Auge, ein murmelnder Mund und ein gespitztes Ohr. Es sitzt auf dem Dache und fliegt nachts hin und her. Hier ist das verderbliche Wesen des üblen "Gerüchtes" schön eingefangen.
"Du sollst kein falsches Gerücht verbreiten, du sollst deine Hand nicht dem Gesetzlosen reichen, um ein ungerechter Zeuge zu sein", heißt der ganze Satz im Alten Testament. Im Zusammenhang unseres Verses legt sich ein Gerichtsverfahren nahe. Er richtet sich gegen eine falsche Zeugenaussage aufgrund einer falschen Anklage. Ein garstiges Gerücht führt zu einer ungerechtfertigten Verurteilung. Wir halten fest: In der Konsequenz des falschen Gerüchtes liegt das Fehlurteil über einen Unschuldigen.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass sich solche zersetzenden Gerüchte verbieten. Darüber braucht man nicht groß zu reden. Reden muss man aber über die Gefahr, die darin besteht, dass sich Gerüchte ein harmloses Ansehen geben, ja im Gewand der unschuldigen Neuigkeit glänzen und gleißen. Sie sind keine Straftaten. Sie sind noch nicht einmal klar zu erkennen. Sie sind auch nicht ganz doll, sondern nur ein bisschen böse. Sie lassen sich unter der Hand, fast unmerklich in die Rede einflechten. In dieser Gestalt sind sie äußerst beliebt unter uns Menschenkindern.
Hier liegt die Aktualität unseres Verses. Er ist ein Ruf zur Wahrhaftigkeit. Wir haben ihn - leider - nötig. Paulus schreibt: "Bemühe dich darum, dich vor Gott zu erweisen als ein angesehener und untadeliger Arbeiter, der das Wort der Wahrheit recht vertritt." 2Tim 2,15
Auf falsche Gerüchte zu verzichten, bedeutet selbstverständlich nicht, die Wahrheit nicht klar und deutlich auszusagen. Das will ich ausdrücklich dazusetzen. So der herrliche Ausspruch des Matthias Claudius: "Mache niemand graue Haare, doch wenn Du recht tust, hast du um die Haare nicht zu sorgen."