Gedanken zur Tageslosung am Dienstag, den 25. August 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

Hanna sprach: "HERR, ich freue mich über deine Hilfe." 1 Sam 2,1

 

Maria sprach: "Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen." Lk 1,46-48

 

Gestern traf ich eine Dame, die sich darüber beklagte, dass die meisten Menschen, mit denen sie zu tun habe, ihr immer und immer wieder schwere Lebensthemen voller Leid und Misslingen aufbürden. Stattdessen habe sie eine große Sehnsucht danach, dass einmal der beschwingte Ton der Freude und Lebensleichtigkeit angeschlagen würde. - Ich wusste im ersten Augenblick gar nichts dazu zu sagen.

 

Die beiden jungen Damen Hanna und Maria sind berühmt geworden für ihre so genannten "Lobgesänge". Man nennt sie so, obwohl gar nicht da steht, dass sie gesungen hätten; es handelt sich eher um Gebete, die aber so poetisch sind, dass man sie sich am liebsten gesungen vorstellen möchte. Gerade zum "Lobgesang der Maria", dem Magnificat, gibt es auch wirklich tausend Melodien und Vertonungen.

 

Wir haben oben jeweils den ersten Satz dieser "Lobgesänge" zitiert. Es ist eine alte Beobachtung, dass ihre beiden "Lieder" inhaltlich sehr ähnlich sind, obwohl sie aus ganz verschiedenen Zeiten stammen. Es liegen etwa 1000 Jahre zwischen ihnen.

 

Interessant ist nun, dass allen beiden der Ausdruck überbordenden Glückes zu einem Gebet der Freude wird. Sie können es sich scheinbar gar nicht anders vorstellen, als dass sie zu allererst dieser Freude Ausdruck geben. Die Grundstimmung der beiden ist sehr ähnlich. Sie sind außer sich vor Freude. Sie können es nicht unterlassen, sofort davon zu reden. Wes' das Herz voll ist, des' geht der Mund über. Sie haben beide guten Grund dazu. Sie gilt der Geburt ihrer Söhne. Dass der Strom des Lebens durch sie weiter gehen darf, dass Gott ihnen das Leben eines neuen Menschen anvertraut, dass das Wunder der Schöpfung an ihnen wahr werden darf - wie anders als mit überschwänglicher Freude soll man darauf reagieren?

 

Natürlich war das Leben der beiden nicht eitel Freude. Wer die Lebensläufe der Söhne Samuel und Jesus kennt, wird das leicht verstehen. Eitel Freude gibt es im Leben sowieso nicht. Sie hatten beide auch schweres Leid zu tragen, wie wir alle.

 

Was soll das auch für ein Leben sein, in dem es den Wechsel von guten und schweren Zeiten nicht gibt? Es müsste die Zeit stille stehen, wie beim Dornröschen, wo der Koch dem Küchenjungen die Ohrfeige nicht verpassen kann, weil einfach alles erstarrt ist. Dann wäre freilich auch das Glück konserviert. Aber wer will das haben?

 

"Arm am Beutel, krank am Herzen schleppt ich meine langen Tage ..."  - Schluss damit. Es ist ja entsetzlich, das Leben unter eine solche Überschrift zu stellen. Bei manchem wird es zur Gewohnheit, sich und die Welt auf diese Art zu sehen. Selbst wenn es zuweilen so käme - und, wie gesagt, es gibt im Leben solche Phasen - wäre es eine Unart, die Menschheit unausgesetzt damit zu überziehen.

 

Im Glauben gibt es Anlass zu jener nie versiegenden Freude, die in Christus, dem "wahren Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht" (Exsultet des Ambrosius), aufleuchtet. Die beiden jungen Frauen Hanna und Maria sind aus diesem Grunde dem Gedächtnis der Kirche unverlierbar eingeschrieben.

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019