Andacht am Sonnabend, den 16. Mai 2020

"Der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen, und die darauf wohnen, werden wie Mücken dahinsterben. Aber mein Heil bleibt ewiglich." Jes 51,6

 

Kürzlich hatte ich eine Beerdigung zu halten. Eine hochbetagte Dame wurde zu Grabe getragen. Ihr Sohn zeigte mir die Traueranzeige. Darauf stand sinngemäß, dass sie ja gar nicht tot sei, sondern so lange lebendig, wie noch mindestens eine Person an sie denke. Ich dachte: Dieser Spruch ist gut gemeint und jedenfalls Ausdruck einer liebevollen Erinnerung an die Verstorbene. Gerade deshalb ist er aber auch besonders traurig. Denn ihr endgültiger Tod muss unausweichlich mit dem Erlöschen der letzten Erinnerung an sie zusammenfallen. Mit dem letzten, der sie kannte, wird sie endgültig vergessen sein.

 

Eigentlich zu jeder Beerdigung drängt sich mir dieser Gedanke auf: Was bleibt von mir, wenn ich gestorben sein werde? Was ist aus denen geworden, die schon gestorben sind? Stehen wir Menschen in einem umfassenden Sinnzusammenhang, der Anfang und Ende der Welt und meines kleinen Lebens in ihr umfängt?

 

Der Prophet Jesaja erinnert an die menschliche Dauerkrise, die jeder von uns kennt, der Eins und Eins zusammenzählen kann: Rauch, Zerfall, das Schicksal einer Mücke. Das ist uns ja vor Augen. Die Krise, die er meint, kennzeichnet unser ganzes Menschenleben und ist viel umfassender als die Corona-Krise je sein kann.

 

Eine Krise bezeichnet - auch von ihrer griechischen Wortbedeutung her - einen "Entscheidungs"- oder "Wendepunkt". In einer Krisensituation spitzt sich ein Konflikt so zu, dass er auf des Messers Schneide steht. In einer solchen Krise besteht eine doppelte Möglichkeit: Verschärfung oder Lösung. Beides ist denkbar. Ihre Verschärfung führt in die Katastrophe (auch griechisch: "Niedergang"; wir könnten auch sagen: Rauch, Zerfall und Mückentod).

 

Gibt es für die menschliche Dauerkrise des "Seins zum Tode" (Heidegger) eine Lösung?

 

Jesaja sagt: Ja. Und diese Lösung lässt uns aufatmen. Gott spricht: "Mein Heil bleibt ewiglich."

 

Das Vertrauen darauf, dass Gott uns sein Heil schenkt, mehr noch, sich selbst zu unserem Heil schenkt, ist die Lösung aller menschlichen Krisen. "Glaubt ihr nicht, dann bleibt ihr nicht." (Jes 7, 9)

 

Uns Sachsen ist das übrigens nicht neu. Die sächsischen Kurfürsten haben sich seit der Reformation eines feinen Wahlspruchs bedient, der an Portalen, Türen, Bildern, Kanzeln und Altären in Sachsen häufig zu lesen ist: Verbum Dei manet in aeternum" häufig in der Kurzform: V.D.M.I.AE. (Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit.)

Schauen Sie sich bitte um (z. B. am Georgentor in Dresden), sie werden ihn häufig finden.

 

Lassen Sie sich bitte daran erinnern lassen, dass unsere Krise gelöst ist.

 

Denn Jesus spricht: "Himmel und Erde vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen." Lk 21,33

 

Hier ist eine Vertonung als "Kleines geistliches Konzert" von Heinrich Schütz, Kapellmeister am Hof zu Dresden, zu hören: https://www.youtube.com/watch?v=BKfFCef1aMQ.

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019