Andacht zur Tageslosung am Mittwoch, den 20. Mai 2020

"Der Gerechte erkennt die Sache der Armen." Spr 29,7

 

Vor einiger Zeit erzählte mir ein befreundeter Handwerksmeister, dass er wenige Jahre nach Gründung seiner Firma vom Finanzamt mit einer exorbitant hohen Summe als Steuernachzahlung belegt worden sei. Er wusste, er könne sie niemals aufbringen. In diesem Moment stand seine Existenz auf dem Spiel. Wie soll man eine Familie ernähren, wenn man mit weniger als nichts, mit Schuldforderungen, dasteht, die mit der Hände Arbeit nicht zu begleichen sind? In seiner Not habe er mit einem seiner Bruder telefoniert, nur um mit jemandem darüber zu erzählen. Der hörte sich das an und sagte: "Natürlich springen wir ein. Hast du denn vergessen, dass du eine Familie hast?"

 

Ich wünschte, ich würde solche eine Antwort in einer ähnlichen Situation geben können. Dann wäre ich, mit den Worten des Alten Testamentes, ein "Gerechter".

 

Ein "Gerechter" sein, das bezeichnet vom Alten Testament her jemanden, der "wie ein Baum gepflanzt an den Wasserbächen" seine Kraft aus dem Wort Gottes zieht und "Frucht bringt" aus dem täglichen Umgang mit diesem Wort (Ps. 1). Wenn es den Weg weist, gelingt das leben. Das ist ein hohes Ideal.

 

Wer kann dem gerecht werden?

 

Das Alte Testament kennt auch das Problem, dass keiner als "gerecht" bestehen kann (Ps 143,2). Darum muss auch der Gerechte seine Schuld bekennen und in der Gerechtigkeit Gottes neue Zuflucht suchen (Ps 55,23).

 

Hier steckt ein Ruf zur Umkehr für alle, die an ihren "Schwestern und Brüdern" schuldig werden, indem sie sie in ihrer Armut sitzen lassen und vergessen. Da meine ich schmerzlich auch mich selbst. Denn das ist meine vielleicht schwächste Seite.

 

Ein Leben nach dem Gebot Gottes bewahrt den Gerechten nicht vor Leid, sondern führt ihn umgekehrt sogar oft geradeswegs dort hinein. Er soll sich aber nicht fürchten. Er hält unter allen Umständen an Gottes Wort fest. Er vertraut darauf, dass er am Ende errettet wird (Ps 7), denn Gott selbst ist gerecht.

 

"Gott ist nicht ungerecht, dass er vergäße euer Werk und die Liebe, die ihr seinem Namen erwiesen habt, indem ihr den Heiligen dientet und noch dient." Hebr 6,10

 

Ist es wohl möglich, heute zum Telefonhörer zu greifen, um als "Gerechter" einer "armen"  Schwester (oder Bruder) meines Beistandes zu versichern?

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019