"Gott breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens." Hiob 9, 8.9
Vor Jahren konnte ich einmal in den Herbstferien für einige Tage auf die Insel Rügen reisen. An der nordwestlichsten Spitze der Insel findet sich der Ort Dranske. In diesem Ort gibt es so gut wie keinen Durchgangsverkehr. Dort ist Deutschland zu Ende. Wer da hinfährt, tut es mit Vorsatz. Darum ist es außerhalb der Saison ganz still und ruhig. Die Naturgewalten sind unmittelbarer als andernorts zu spüren.
Das Eindrücklichste war, dass es dort nachts wirklich dunkel war, und zwar stockdunkel. Weit und breit gibt es kein künstliches Licht. Das Meer ist schwarz und bedrohlich. Da war es nun, dass ich das erste Mal in meinem Leben den Sternhimmel gesehen habe, wir er wirklich ist. Ich stand am Strand, hatte den Kopf zurück gelegt und kam aus dem Staunen nicht heraus. Das Himmelsgewölbe war übersät mit tausenden und abertausenden von Sternen. Die paar Sternbilder, die ich mit Namen kenne, waren in der übergroßen Zahl der funkelnden Lichtpunkte nicht mehr zu unterscheiden. Erst seit dieser Nacht kann ich die Verheißung Gottes an Abraham verstehen, dass seine Nachkommen zahlreich wie die Sterne am Himmel sein sollen.
Dass ich mich an diese Nacht so gut erinnere, hängt mit dem Staunen über das zusammen, was da ist. Und ich hatte es noch nie gesehen. Solch ein nächtlicher Himmel mit unzähligen Sternen, Sternsystemen und Galaxien, deren Licht Millionen von Lichtjahren unterwegs ist, hat eine eigene Botschaft. Er ist selbst wie eine Verheißung.
Dass ich ihn nicht immer sehen kann, bedeutet natürlich nicht, dass er nicht da wäre. Das Meiste im Leben ist vermutlich nicht sichtbar. Aber wenn wir einmal einen Blick erhaschen können, dann beginnt das große Staunen.
Das Staunen gilt schon seit je als Beginn des Nachdenkens und Nachfragens. Scheinbare Selbstverständlichkeiten werden bei genauerem Hinsehen in neue Zusammenhänge gestellt und in unberücksichtigten Bezügen erkannt. Die Dissonanz von bloßer Meinung und neuer Wahrheit schenkt eine neue Erkenntnis.
So kann der funkelnde, nächtliche Sternhimmel, in seiner unausdenklichen Weite und Tiefe und Größe und Höhe eine Gedankenbewegung auslösen, in der das letzte Heil, das Gott für uns Menschen von jeher im Sinn hatte, aufblitzt: "Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare." Kol 1, 15-16