Gedanken zur Tageslosung am Donnerstag, den 20. August 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner 

"Hass erregt Hader; aber Liebe deckt alle Übertretungen zu." Spr 10,12

 

"Herz statt Hetze" - unter diesem Schlagwort hat die linksaffine Parteienphalanx und allerlei Gruppen, darunter auch linksgerichtete kirchliche Kreise, eine Kampagne in ihrem "Kampf gegen Rechts" initiiert, um gegen "Hassbotschaften", wie man immer wieder betont, vorzugehen. Wer diese Aktionen, Aufmärsche, Zeichensetzungen, Wortergreifungen usw. aufmerksam verfolgt, macht sich über die Herzens-Qualitäten solcher Ausgrenzungs- und Enttarnungsrhetorik so seine Gedanken. Man kann sich getrost fragen, ob das Ganze nicht etwas Schizophrenes an sich hat. Egal, das soll uns hier nicht weiter beschäftigen.

 

"Herz statt Hetze" - das ist ohne Frage ein netter Vers, die Alliteration mit dem gedoppelten "H" im Anlaut, der zweifache Trochäus, kurz und glatt. Leider ist die Aussage dann doch etwas einseitig geraten. Es berührt unangenehm, dass der, der das Herz für sich reklamiert, es sozusagen gepachtet hat, ein bisschen selbstverliebt wirkt und überdies einem Schwarz-Weiß-Denken aufsitzt, das eine Begegnung, geschweige denn eine Verständigung, von vornherein schwierig macht. Das ist schade. Es gibt wahrscheinlich doch noch bessere Sprüche, die man sich auf's Plakat kleben kann.

 

Wie wäre es mit einem Wort aus der Heiligen Schrift? Unser Weisheitsvers, z. B. aus dem Buch der Sprüche? Wäre der nicht ganz treffend geeignet? "Hass erregt Hader; aber Liebe deckt alle Übertretungen zu". Das hätte der besondere Beitrag sein können (vielleicht sogar müssen), den die Kirche in die politischen Auseinandersetzungen seit 2015 mit geistlicher Vollmacht hätte einbringen können. Dieser ganz ausgezeichnete Vers erinnert nämlich an das, worum es geht, wenn Menschen nach dem Willen Gottes zusammen leben.

 

Hass ist gottlos. Es liegt auf der Hand, dass der Hass den Hader, den Zwist, die Polarisierung, die Ausgrenzung und die Feindschaft gebiert. Hass ist immer schnell zur Hand. Er ist die leichte Lösung für alle strittigen Fragen. Es ist auch gar nicht schwer, sich seiner zu bedienen. Er schafft auch Ruhe im Karton. Im Hass sind alle Dinge erledigt. Wer hasst, redet nicht mit dem, den er hasst. Er tut, als gäbe es ihn nicht. Er zementiert ganz prächtig das eigene Rechthaben. Er ist das gottlose Mittel, sich die komplette Distance zu verschaffen, die es völlig überflüssig macht, sich mit dem Gehassten überhaupt noch abzugeben. Es ist unendlich traurig, dass wir in einer so hasserfüllten Gegenwart leben müssen.

 

Die Liebe ist anders. Das weiß theoretisch jeder. Aber das genügt bekanntlich nicht. Die Liebe als christusmäßige Haltung sucht das Gegenüber - egal, was es sagt und wie es sich benimmt. Ja, selbst wenn es Unsinn redet und sich sträflich daneben benimmt - die Liebe kehrt die Dinge zum Guten. Sie "deckt alle Übertretungen". Ich empfehle die Lektüre des "Hohenliedes der Liebe", das eine weiterführende Auslegung unseres Verses darstellt, unübertrefflich schön, Weltliteratur und letzte Weisheit im Zusammenleben der Menschen. Man lese es nach: "Wenn ich mit Menschen und Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle ..." (1. Kor 13, 1-13) (Darum lärmt es bei den "Demos" auf den Straßen auch so hohl.)

 

Es ist und bleibt unser Amt, an dieses Lied des Apostels Paulus zu erinnern und dieses Lied auf den Lippen zu haben, selbst wenn es uns schwer fällt. Ich gebe ja zu, dass ich es zuweilen auch vergesse und nicht beherzige. Aber das ist nicht recht und gilt nicht als Entschuldigung. Denn so spricht Christus: "Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt." Joh 13,35

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019