von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner
Der König antwortete Daniel und sprach: "Wahrhaftig, euer Gott ist ein Gott über alle Götter und ein Herr über alle Könige." Dan 2,47
Ich bin heute in Bautzen gewesen. Diese Stadt ist eine Zierde der Oberlausitz. Angesichts unseres Bibelwortes erinnere ich mich an zwei überlebensgroße Königsbilder als besondere Sehenswürdigkeiten von Bautzen.
Das eine ziert den Georgsturm der Ortenburg. Es zeigt den verwegenen Ungarnkönig Matthias Corvinus (1443-1490) auf dem Thron. Die rechts und links vom Thronsessel aufgereihten sieben Wappen seiner Herrschaften beweisen, dass er ein politisches Genie war. Im Laufe seines Lebens brachte er es zum Herrn über Ungarn, Kroatien, Böhmen, Österreich und die Lausitzen. Um die kriegerischen Türkeneinfälle in sein Herrschaftsgebiet ein für alle Mal zu unterbinden, strebte er sogar nach der deutschen Kaiserkrone. Er starb mit 47 Jahren überraschend in Wien und hinterließ keinen Erben. Sein Reich fiel seinem Rivalen zu, seine Macht hatte auf tönernen Füßen gestanden.
Wenige Meter weiter, am Reichenturm, thront Rudolf II. (1552-1612), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, König von Ungarn, König von Böhmen (zu deren Nebenländern auch die Lausitzen gehörten) und Erzherzog von Österreich. Der überaus prächtiger Herr blickt von dort seit 400 Jahren hernieder. Im laufe seines Lebens hatte er sich auf die Prager Burg zurückgezogen. Er lebten seinen Künsten und Wissenschaften, darunter der Alchimie und Astrologie. Krankheit und Einsamkeit zehrten ihn aus. Eingesponnen in das Netz seiner Geheimnisse starb auch er ohne Erben. Auch seine Macht stand auf tönernen Füßen.
Das Danielbuch erzählt vom mächtigen babylonischen König Nebukadnezar. Dieser hatte einst einen verstörenden Traum. Als er wach wird, kann er sich nicht mehr genau an ihn erinnern. Es ist ihm nur das Gefühl geblieben, dass sein Inhalt unangenehm-bestürzend gewesen war. Man kennt dieses Gefühl. In dieser Verstimmung lässt er seine Wahrsager holen, die ihm Traum und Deutung sagen sollen. Sie versagen kläglich, wie nicht anders zu erwarten. Nur Daniel kann mit der Hilfe seines Gottes sowohl Traum als Deutung bieten. In diesem Moment fallen die Worte: "Wahrhaftig, euer Gott ist ein Gott über alle Götter und ein Herr über alle Könige."
Der Traum, den Gott dem Daniel offenbarte, ist furchtbar - und auch wieder nicht. Es geht in ihm um ein Bildwerk, dessen Kopf golden, dessen Brust und Arme silbern, dessen Bauch und Lenden von Erz, dessen Beine von Eisen sind. Nur in die Füße mengte sich etwas Ton ein. Da fiel ein gewaltiger Felsbrocken im Traum von ungefähr eben auf diese tönernen Füße und zerschlug sie. Das Bildnis stürze hin und wurde von der Wucht des Felsens ganz und gar zermalmt. Daniel deutet dies auf fünf aufeinander folgende Königreiche, die immer labiler werden bis zum völligen Untergang. "Aber zur Zeit solcher Königreiche wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Königreich wird auf kein ander Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und verstören; aber es selbst wird ewiglich bleiben." (Dan 2,44)
Wir wissen nicht, welches unserer Vorhaben auf tönernen Füßen steht, in der großen Weltpolitik und bei uns persönlich. Das Glück lässt sich nicht erzwingen. Es lässt sich auch nicht berechnen. Wir wissen nicht, warum das, was geschieht, geschehen muss. Es bleibt eine große und schwere Kunst, recht eigentlich eine Lebensaufgabe, sich in das Unabänderliche zu schicken.
Lasst uns lernen, tapfer für das einzutreten, von dem wir denken, dass Gott es von uns will. Er wird es fügen. Lasst uns aber umgekehrt auch lernen, das Scheitern unserer Traumgebilde hinzunehmen, ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn nur eins, das wir nicht gewillt sind preiszugeben, im Gedächtnis gehalten und bewahrt wird bei Kind und Kindeskind bis zum Ende der Welt: "In dem Namen Jesu sollen sich beugen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." Phil 2,10