Gedanken zur Tageslosung am Mittwoch, den 16. September 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

"Ehre den HERRN mit deinem Gut." Spr 3,9

 

Ich kannte einmal einen jungen Mann, der mit Blick auf seine Abiturprüfung zu mir sagte: "Wenn ich das Abitur bestehe, dann stifte ich zwei nagelneue, prächtige Altarkerzen zur Ehre Gottes."

 

"Do ut des" - "Ich gebe, auf dass du mir gibst" lautet eine alte Formel der Religions- und Rechtspraxis. Sie ist der Sache nach viel älter als die Römerzeit. Seit unvordenklichen Zeiten rechnet sich der berechnende Geist des Menschen aus, dass er Gott etwas abluchsen kann, wenn er ihm im Austausch etwas dafür anbietet. Dieses Denken scheint in leicht variierter Form ewig jung zu bleiben. Ich bin jedenfalls schon häufig darauf gestoßen, z. B. so: "Wenn du mich vom Krebs heilst, dann will ich ab sofort ..." Es steht im Grund auch hinter dem häufig geäußerten Vorwurf: "Womit habe ich das verdient, dass du, Gott mir so und so mitspielst."

 

Ich möchte mich über solches Denken nicht mokieren. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich, in Not geraten, nicht auch in der Versuchung stünde, so ähnlich zu argumentieren. Denn der Gedanke geht in aller Regel aus einer schweren menschlichen Not hervor. Trifft den Menschen ein schweres Schicksal, das zu wenden seine Kräfte zu gering sind, legt sich die Idee eines wechselseitigen Austauschs nahe.

 

Allerdings handelt es sich dann, wenn man ehrlich ist, nicht um den Fall "Ehre den HERRN mit deinem Gut", sondern eher um den Fall: Investiere in deine eigene Zukunft, vielleicht kannst du Gut, Glück und Gelingen eintauschen. Gibt uns Gott das Heil, weil wir etwas oder - im Extremfall - uns selbst (auf)opfern?

 

Die Antwort lautet: Nein, er gibt es nicht deshalb. Er gibt es aus freien Stücken. Und das Gut, womit wir ihn ehren, sollen wir auch aus freien Stücken geben, ohne den Hintergedanken einer Rückerstattung zu unseren Gunsten.

 

Der Mönch Luther hat diese utilitaristische Handlung kompromisslos aufgespießt. Als lutherischer Geistlicher muss ich einfach darauf zu sprechen kommen. Des ehrenden Gedenkens wegen erinnere ich nochmals an die kleine Schrift "Sermon von den guten Werken" von 1520.

 

"Das erste und höchste, alleredelste gute Werk ist der Glaube an Christus", heißt es da. (Luther, Ausgewählte Werke [Calwer Ausgabe], 1931, Bd.2, S.9) Aus dieser verwegenen Zuversicht geht mit großer Selbstverständlichkeit gutes Handeln aller Art hervor. Zugespitzt heißt das: "Ist diese Zuversicht nicht da oder zweifelt er [ein jeder] daran, so ist das Werk nicht gut, selbst wenn es alle Toten auferweckte und der Mensch sich verbrennen ließe ... Vom Glauben uns sonst von keinem Werk haben wir den Namen, dass wir Christgläubige hießen, da er das Hauptwerk ist. Alle anderen Werke kann nämlich en Heide, Jude, Türke oder Sünder auch tun; aber fest darauf vertrauen, dass er Gott wohlgefalle, - das ist nur einem Christen möglich, der durch Gnade erleuchtet und fest geworden ist." (ebenda, S. 11f.) So entgehen wir der Falle, uns Gott nur deshalb zuzuwenden, damit wir etwas von ihm zurückerhalten.

 

Dem jungen Mann mit seinen Prüfungsbedenken habe ich damals zurückgefragt, ob er denn wirklich meine, dass Gott ihm um der lächerlichen Kerzen willen (sie seien die längsten und dicksten des Universums) das Abitur spendieren würde.

 

Nun, er hat bestanden. Ob er die Kerzen dann wirklich gestiftet hat, wage ich zu bezweifeln. Ob aus geistlicher Einsicht oder eher aus profanen Gründen, weiß ich nicht zu sagen. Heute ist er Arzt in Berlin. Er hat mich vor einigen Monaten angerufen. Er klang sehr aufgeräumt. Ich hoffe dass er den Menschen, die sich ihm anvertrauen, Kraft und Wissen leiht, um Hilfe und Heilung zu schenken. Ich kann mir vorstellen, dass Gott gut gefällt, was er da tut.

 

"Leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein." Lk 6,5

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019