Und für Elisabeth kam die Zeit, dass sie gebären sollte; und sie gebar einen Sohn. Und ihre Nachbarn und Verwandten hörten, dass der Herr große Barmherzigkeit an ihr getan hatte, und freuten sich mit ihr. Und es begab sich am achten Tag, da kamen sie, das Kindlein zu beschneiden, und wollten es nach seinem Vater Zacharias nennen. Aber seine Mutter antwortete und sprach: Nein, sondern er soll Johannes heißen. Und sie sprachen zu ihr: Ist doch niemand in deiner Verwandtschaft, der so heißt. Und sie winkten seinem Vater, wie er ihn nennen lassen wollte. Und er forderte eine kleine Tafel und schrieb: Er heißt Johannes. Und sie wunderten sich alle. Und sogleich wurde sein Mund und seine Zunge aufgetan, und er redete und lobte Gott. Und es kam Furcht über alle Nachbarn; und diese ganze Geschichte wurde bekannt auf dem ganzen Gebirge Judäas. Und alle, die es hörten, nahmen's zu Herzen und sprachen: Was wird aus diesem Kindlein werden? Denn die Hand des Herrn war mit ihm ... Und das Kindlein wuchs und wurde stark im Geist. Und er war in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er vor das Volk Israel treten sollte. Lk 1,56-66.80
Jeder von uns trägt einen Namen. Er wurde uns einst von den Eltern mit Bedacht gegeben. Er sollte gut klingen und zu uns passen. Unsere Eltern wollten, dass wir uns in ihm bewähren.
In unserem Namen spricht sich ein Wunsch aus. Manchmal gleicht er auch einer Antwort. Oder er weist uns einer bestimmten Sphäre zu, der wir angehören sollen. Wir tragen unseren Namen, auf dass er an uns hafte, ja ein Teil von uns sei. Er soll an uns wahr werden. Wir legen unseren Namen ein Leben lang aus. Wie und auf welche Weise wird wohl mein Name in den Wendungen meines Lebens wahr werden? Es ist in jedem Fall ein ganz einzigartiges Geschehen, selbst wenn ich einen Allerweltsnamen hätte, der nicht durch irgendeine Originalität hervorsticht.
In der Heiligen Taufe wird er im Angesicht Gottes unverlierbar zu meinem Namen. Er ist nun nicht mehr beliebig, sondern bezeichnet mich ganz eigentümlich und hebt mich ins Ewige. Ich wurde in meinem Namen umfangen von dem, auf dessen Namen ich getauft bin, ganz und gar begnadet.
Im Evangelium, das die Kirche für diesen Johannistag bestimmt hat, geht es um den Namen, den das Kind der Elisabeth und des Zacharias bekommen soll. Diese Namensgebung löst einige Irritationen aus. Die Umstände sind auch etwas speziell. Die Namensgebung schlägt scheinbar aus der Art. Sie folgt keinen ästhetischen und keinen dynastischen Erwägungen. Es ist Gott selbst, der diesen Namen um eines ganz bestimmten Grundes willen den Eltern kundgetan hat. Das ist ein auffälliges Moment in der Schilderung. Die Frage der Namensgebung spitzt sich doppelt zu, einmal, als Freunde und Verwandte der Mutter nicht glauben wollen, sodann als der Vater, dem es die Sprache verschlagen hat, auf einem Täfelchen festhalten muss: "Er heißt Johannes."
"Johannes" also, zu deutsch: "Gott ist gnädig". Das ist natürlich ein schöner Name, eine Vergewisserung über dem Schicksal eines Neugeborenen. Der Name ist eine Antwort auf die besorgte Frage der Eltern: Wie wird sich Gott diesem Kind gegenüber stellen? Wird er es auf seinem Lebensweg bewahren? Wird es in Unglück und Schmerz geraten? Alle Eltern kennen diese Fragen, die aus einer tiefen Verunsicherung erwachsen, da ihnen ja die Zukunft ihres Kindes nicht bekannt ist. Kaum ist das Kinde geboren, ist die Sorge in der Welt. "Johannes" bedeutet dann: Sorge dich nicht, denn Gott wird das Band, durch das er sich diesem Kinde verbunden hat, nicht zerreißen lassen, sondern in Gnaden sorgen und helfen und halten und stärken und führen bis zum letzten Atemzug.
Soweit so gut. Was die Eltern dieses Kindes damals noch nicht wissen konnten, uns aber bekannt ist, ist das ungewöhnliche Schicksal dieses Johannes, den man später den Täufer genannt hat. Sein Los war die Hellsichtigkeit. Sie hatte ihn in die Wüste geführt und bewirkt, dass er sich, angewidert von dem Luxus und der Verlogenheit der griechisch-römischen Lebensart, zu einem Asketen gewandelt hatte. Je ferner er dieser als gottlos erfahrenen Welt gekommen war, desto klarer konnte er sehen. Sonnenklar lag ihm vor Augen, dass die Menschen in Unheil geraten müssen, wenn sie sich von Gott abwenden. Hell und deutlich sprach er aus, dass in Jesus von Nazareth das Licht der Welt erstrahlen, der Christus Gottes erscheinen, das Heil für die zerbrochenen Herzen bewirkt werde. Seine Hellsichtigkeit war schließlich so überklar und kompromisslos gewesen, dass die Mächtigen der Welt vor ihm erzitterten und eine Intrige ersannen, um ihn gewaltsam zu Tode zu bringen.
Wie reimt sich dieses Leben auf den Namen "Gott ist gnädig"? Darüber muss man etwas nachdenken, denn, wie gesagt, es war kein Zufall, dass er diesen Namen tragen sollte. Gott selbst hatte den himmlischen Boten unmissverständlich ausrichten lassen, dass er gedachte, über diesem Manne gnädig zu sein. Aber inwiefern?
Eine Antwort liegt nahe. Allein die Tatsache, dass er das Heil der Welt, den Erlöser von Sünde, Tod und Teufel, den Sohn Gottes auf dem entfremdeten Erdenrund erkennen, benennen und verkündigen durfte, ist Ausdruck der Gnade Gottes. Sein Name wäre dann die Überschrift über seine Botschaft.
Ich kann mir aber auch vorstellen, dass die Gnade Gottes über ihm darin bestand, dass er die Kraft finden konnte, an seiner Hellsichtigkeit festzuhalten und ihr Ausdruck zu geben. Dann ist eine Gnade Gottes gewesen, dass er sein durfte, was er sein sollte: "Johannes, der Täufer". Dass er den Sohn Gottes aus den Fluten des Jordans entließ, war groß und der Beginn dafür, dass das Größere und Allergrößte geschehen konnte.
Johannes trug seinen Namen und er hat sich seiner würdig erwiesen. Wir tragen den unseren. Vielleicht finden wir Zeit an diesem langen, lauen Sommerabend über unseren Namen nachzusinnen. Gott helfe uns, dass wir unserem Namen Ehre machen dürfen. Er schenke uns, dass er keine Lüge sei, sondern wahr werden dürfte zum Lobe seiner Herrlichkeit.