Predigt 3. Advent 2023, Mt 11,2-10

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

Predigt am 3. Advent 2023  

 

DA aber Johannes im Gefengnis die werck Chriſti hörete / Sandte er ſeiner Jünger zween / 3vnd lies jm ſagen / Biſtu der da komen ſol / Oder ſollen wir eines andern warten? 4Jheſus antwortet / vnd ſprach zu jnen / Gehet hin / vnd ſaget Johanni wider / was jr ſehet vnd höret / 5Die Blinden ſehen / vnd die Lamen gehen / die Auſſetzigen werden rein / vnd die Tauben hören / die Todten ſtehen auff / Vnd den Armen wird das Euangelium geprediget. 6Vnd ſelig iſt / der ſich nicht an Mir ergert. 

7DA die hin giengen / Fieng Jheſus an zu reden / zu dem Volck von Johanne / Was ſeid jr hin aus gegangen in die Wüſten zu ſehen? Woltet jr ein Rhor ſehen / das der wind hin vnd her wehd? 8Oder was ſeid jr hin aus gegangen zuſehen? Woltet jr einen Menſchen in weichen Kleidern ſehen? Sihe / die da weiche Kleider tragen / ſind in der Könige heuſer. 9Oder was ſeid jr hin aus gegangen zuſehen? Woltet jr einen Propheten ſehen? Ja ich ſage euch / der auch mehr iſt / denn ein Prophet. 10Denn dieſer iſts / von dem geſchrieben ſtehet / Sihe / Ich ſende meinen Engel fur Dir her / der deinen weg fur dir bereiten ſol. Mt 11, 2-10 

 

 

Ein Gespräch zwischen Eheleuten, die schon etwas in die Jahre gekommen sind:  

Sie: „Liebst du mich eigentlich noch?  

Er: Wieso?“  

Sie: „Ich frage dich, ob du mich noch liebst?  

Er: „Wie kommst du eigentlich auf diese Frage?  

Sie: „Ich möchte ja nur wissen, ob du mich noch liebst.  

Er: „Ich hab’ dir doch schon einmal gesagt, dass ich dich liebe.“  

Wir lassen einmal dahingestellt sein, ob ihm nicht vielleicht doch noch eine bessere Antwort eingefallen ist. Eins steht jedenfalls fest: Es einmal zu sagen, genügt nicht. Es gibt Dinge, die sind so wichtig und von grundsätzlicher Bedeutung, dass es einer beständigen Befestigung, Erinnerung und Bestätigung bedarf. Einmal reicht eben nicht aus.  

 

Johannes der Täufer sitzt im Gefängnis. Er hat den Mächtigen die Wahrheit über ihre Verfehlungen ins Gesicht geschleudert. Solche Leute nehmen das übel. Sie sorgen dafür, dass er im Gefängnis verschwindet. Es ist aus mit ihm. Er ist klug genug zu wissen, dass sein Leben verwirkt ist. Ich schätze, er ist der Verzweiflung nahe. Wie auch nicht, da er doch so bitter gescheitert ist. In seiner Not gelingt ihm nur noch, einige Getreue auszusenden, dass sie von Jesus von Nazareth erfragen: „Bist du der, der kommen soll oder sollen wir auf einen anderen warten?“  

 

Diese Frage erwächst aus der Not der Ungewissheit. Denn in bösen Zeiten geraten wir Menschen in Unsicherheit. Habe ich mich geirrt? Bin einer Lüge aufgesessen?  Bin ich selbst daran Schuld, dass mein Leben verloren geht? Ich höre hinter diesen Fragen des Johannes noch die tiefergehenden: „Gibt es irgendjemanden auf dieser Welt, der noch nach mir fragt, dem ich nicht egal bin? Gibt es jemanden, der mich noch liebt, wo sie mich alle verlassen haben?  

 

Die Boten des Johannes fragen Christus und der antwortet. Es ist interessant, wie er antwortet, denn er tut es nicht auf direktem Wege. Direkt wäre gewesen: „Ich bin der verheißene Erlöser und Erretter, Heiland und Messias, Menschensohn, Licht, Heil, Wahrheit und Leben.“ Aber so spricht er nicht.  

 

Denkbar wäre auch eine etwas schnippische Antwort gewesen wie: „Guter Mann, du weißt längst, wer ich bin. Denn du selbst hast mich doch im Jordan getauft, als der Gottesgeist sprach: 'Dies ist mein lieber Sohn, an dem habe ich meinen Wohlgefallen' und sich licht und leicht wie eine Taube herabsenkte. Auch hast du schon gewusst, dass ich das Lamm sein würde, das der Welt Sünde trägt. Du selbst hast es gesagt. Warum fragst du also?“ Aber so spricht Christus auch nicht.  

 

Er sagt gar nicht, wer er ist, sondern benennt sein Tun. Er zählt die „sieben Sachen“ des Heilwerdens auf, die den Menschen widerfahren in der Begegnung mit ihm: Blinde sehen, Lahme gehen, Kranke werden gesund, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird das Evangelium gepredigt sowie die Seligpreisung über die, die sich an ihm nicht ärgern. Ich hatte die Idee, diese Aufzählung als Klimax aufzufassen. Was bedeutet es, wenn die Evanglienpredigt und das "Sich-nicht-an-Christus-ärgern-müssen", ganz ungewöhnlich zu denken, die höchste Stelle einnehmen? 

 

Wie dem auch sei. Es ist bekannt, dass, wem Christus begegnet, Heil und Heilung widerfährt an Leib, Seele und Geist. Er lässt dem Johannes ausrichten, was er tut, kein Wort mehr. Es steckt nicht ein Hauch von Eigenlob oder Geltungsschwere in seiner Antwort. Dabei wäre er der einzige Mensch der Weltgeschichte gewesen, der ein Recht dazu gehabt hätte. Für ihn gilt aber augenscheinlich: An Taten wird erkannt ein Mann, nicht an Selbstzuschreibungen oder sonstigem Gerede.  

  

Ach, wie sind die Antworten der Menschen so oft durchtränkt von peinlichen Selbsterhöhungen und Eigeninteressen. Haben wir nicht oft genug erlebt, was solch hohles Gerede bei uns bewirkt? Enttäuschung, Ärger oder gar Verachtung. Wir kennen das bis zum Überdruss. Die "Hochbegabten" dieser Welt schmeicheln mit Wörtern und tun schamlos das glatte Gegenteil. Christus selbst hat sie als falsche Propheten in Schafskleidern bezeichnet, die in Wahrheit reißende Wölfe sind. Und dann hat er das Kriterium dazu geliefert, sie zu durchschauen: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen" (Mt 7,16). Schau auf das, was sie für dich tun, dann weißt du Bescheid. Schau auf das, was Christus für dich tut, dann weißt du auch Bescheid.  

 

Zurück zu Johannes. Ich gehe davon aus, dass ihm seine Boten das Christuswort in seiner hoffnungslosen Lage ausgerichtet haben. Wie hat es gewirkt? 

 

Es wird ihn wie ein Blitz durchzuckt haben. Im selben Augenblick straffte sich sein geplagter Körper. Alle Niedergeschlagenheit und Angst wird aus seiner Seele gewichen sein.  Jene verwegene Zuversicht, mit der allein Christus die Angefochtenen trösten und stärken kann, wird von ihm Besitz ergriffen haben durch und durch.  

 

Ich möchte darauf wetten, dass, als die Stunde kam, da man ihn aus seinem Kerker holte, er seinem Henker mit erhobenem Haupt entgegentrat. Er wußte nun, dass sich seine Erlösung naht. 

 

Herr Jesus Christus, stärke uns in den finsteren Stunden unseres Lebens mit der Gewissheit, dass du alle Angst von uns nehmen wirst, auf dass wir dir mit Freude entgegen gehen. Amen