Andacht zur Tageslosung am Montag, den 18. Mai 2020

"HERR, du gabst unsern Vätern deinen guten Geist, sie zu unterweisen." Neh 9,20

 

Es ist schon einige Jahre her, da fragte mich eins meiner Kinder: "Papa, wer ist der klügste Mensch der Welt?" Ich wusste so schnell keine Antwort. "Aber ich weiß es. Herr M. hat es uns verraten." (Herr M. war der Klassenlehrer in der Grundschule.) "Ja, was hat er denn gesagt?", fragte ich. "Das war Sokrates. Der wusste nämlich gar nichts."

 

Na, daraus soll mal einer schlau werden.

 

Ich bin dem nachgegangen und habe nach langem hin- und herüberlegen herausgefunden, was der Herr Lehrer gemeint haben könnte:

 

Das berühmte Orakel von Delphi hatte verlauten lassen, es sei niemand klüger als Sokrates. Das war dem Philosophen zu Ohren gekommen und er fragte sich, wie das sein könne, da er sich gar nicht so klug fühle. So habe er überall in der Welt Ausschau gehalten nach Menschen, die für besonders klug gehalten wurden. Aber niemand sei ohne Irrtum gewesen. "Beim Weggehen aber sagte ich zu mir: ‚Verglichen mit diesem Menschen bin ich doch weiser. Wahrscheinlich weiß ja keiner von uns beiden etwas Rechtes; aber dieser glaubt, etwas zu wissen, obwohl er es nicht weiß; ich dagegen weiß zwar auch nichts, glaube aber auch nicht, etwas zu wissen. Um diesen kleinen Unterschied bin ich also offenbar weiser, dass ich eben das, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen glaube.‘" (Apologie des Sokrates, 21d ff.)

 

Ich fürchte, dabei ist es in den letzten zweieinhalb Jahrtausenden im Großen und Ganzen geblieben, was die menschliche Klugheit betrifft. Es schwebt alles im Ungewissen. In klugem Grund und noch klügerem Gegengrund können alle Dinge aufgelöst werden, so dass am Ende immer nur ein Schulterzucken bliebe, wenn nicht ...

 

Ja, die Kirche verkündet es immer wieder neu und erinnert und mahnt und bittet, dass es niemals anders werde:

 

"HERR, du gabst unseren Vätern deinen guten Geist, sie zu unterweisen". Es zeichnet den Glauben aus, dass er sich nicht aus sich selbst hervorbringt. Der beflügelnde Geist kommt in strengem Sinn von außen zu uns, als eine Gabe Gottes. Ohne ihn ist über menschliche Grübelei hinaus keine Gewissheit zu erlangen über unser Woher, Wohin, Sinn, Zweck und Ziel des Lebens und aller Dinge. Hier gilt es eine verwegene Zuversicht zu gewinnen, sonst könnten wir die verirrte (oder irre?) Welt gar nicht ertragen.

 

Der Geist Gottes schenkt uns die Gewissheit und den Lebensmut, den wir brauchen, um unseren Weg getrost zu gehen in guten und in schlechten Zeiten. Weil es den Heiligen Geist gibt, gibt keinen Grund zu verzweifeln. Das ist die Wahrheit.

 

Zu den überraschendsten Schöpfungsgaben gehört, dass sich der Heilige Geist nicht verbraucht, abnutzt oder einrostet. Er schenkt sich neu denen, die Gott darum bitten. "Komm, Heiliger Geist, erfüll die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner göttlichen Liebe." So und nicht anders gehen wir in die Zukunft, unwissend-wissend.

 

Jesus spricht: "Der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe." Joh 14,26

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019