"HERR, frühe wollest du meine Stimme hören, frühe will ich mich zu dir wenden und aufmerken." Ps 5,4
Ach, das Beten. Leicht gesagt und schwer getan. Jeder kennt die Anfechtungen dabei, wenn die Gedanken abschweifen und das Gebet verebbt wie ein Bach im trockenen Sand.
Gleich "frühe" zu beginnen mit dem Gebet, das ist gut. Jeder Christenmensch ist sogleich besten Vorsatzes, ja begeistert über solches Vorhaben. Aber es zu tun, das ist ein anderes. Bereits die Jünger Jesu standen bekanntlich in dieser Not und mussten ihren Meister schließlich um Abhilfe bitten.
"Allezeit" zu beten, genauso gut und richtig und wichtig, durch die Heilige Schrift geboten und überaus heilsam. Niemand kann das bestreiten. Aber die Geschäftigkeit des Alltags mit all den Notwendigkeiten stellen das Gebet in den Schatten, so dass es aus dem Blick gerät.
Martin Luther hat zu dieser und vielen anderen Fragen um das Gebet Stellung genommen in einer ganz bezaubernden, kleinen Schrift. Sie heißt:
Eine einfältige Weise zu beten, für einen guten Freund, gedruckt im Jahr 1535. (WA 2,81-130)
Sie richtet sich an Peter Beskendorf, einen Wittenberger Barbier. Vermutlich hatte dieser Luther gebeten, ihm eine kleine Anweisung zum Beten zu geben. Luther erzählt eigentlich nur, wie er selber betet.
Wichtig bleibt die Konzentration auf das Tun. Der Meister Peter wird auf seinen Beruf hin angesprochen: "So auch ein guter, fleißiger Barbier: Er muss seine Gedanken, Sinne und Augen gar genau auf das Messer und auf die Haare richten und nicht vergessen, woran er sei, am Rasieren oder am Schneiden. Wenn er aber zugleich viel will plaudern und anderswohin denken oder gucken, würde er einem wohl Maul und Nase, die Kehle dazu abschneiden. So will auch jedes Ding, wenn es gut gemacht werden soll, den Menschen ganz haben mit allen Sinnen und Gliedern, wie man sagt: Ein auf vielerlei bedachter Sinn taugt weniger fürs einzelne. Wer mancherlei denkt, denkt nichts, macht auch nichts Gutes. Wie viel mehr will das Gebet das Herz einzig, ganz und allein haben, soll's anders ein gutes Gebet sein."
Das Besondere an Luthers Anweisung ist, dass er vorschlägt, von einem geprägten Text auszugehen: ein Psalm, ein Vaterunser, das Glaubensbekenntnis usw. Sodann empfiehlt er in freier Folge "ein vierfach gedrehtes Kränzlein" zu machen. Das orientiert sich an folgenden Fragen:
1. Was lehrt mich dieses Wort?
2. Wofür kann ich mit Blick darauf danken?
3. Was muss ich (leider) von mir bekennen?
4. Was kann ich für mich und andere erbitten?
Das Besondere ist, dass es sich um ein "schriftgebundenes" Beten handelt, das einen festen Ausgangspunkt bietet. In freier Assoziation leiten die Fragen den Beter in seinen konkreten Alltag mit all den Dingen, die ihn und die Seinen persönlich betreffen. Fällt einem nichts mehr ein zu den Fragen, darf man getrost aufhören mit dem Beten.
Das kann natürlich nur eine Anregung sein. Es gibt tausend andere Wege. Aber vielleicht ist es eine Probe wert?
Denn das Schriftwort steht: "Betet allezeit mit allem Bitten und Flehen im Geist und wacht dazu mit aller Beharrlichkeit und Flehen für alle Heiligen." Eph 6,18
Es will mit Leben gefüllt sein.