"Er sendet seine Rede auf die Erde, sein Wort läuft schnell." Ps 147,15
Mitten im Tharandter Wald liegt die Wüstung Warnsdorf. Eine Wüstung ist ein untergegangener Ort. Seine Bewohner haben ihn aufgrund irgendeiner Katastrophe verlassen. Sie konnten dort nicht weiterleben. War es ein Krieg? Eine Klimakatastrophe? Eine Seuche? Wir wissen es nicht. Von dem Ort - die Archäologen haben ihn anhand von Feuerstellen und Fundamentresten nachgewiesen - ist nichts mehr übrig. Der Sage nach soll er im Jahre 1007 wegen der Sündhaftigkeit der Einwohner untergegangen sein. Das ist schon mehr als 1000 Jahre her.
Trotzdem hat sich der Ortsname Warnsdorf im Gedächtnis erhalten, denn es blieb ja noch die Warnsdorfer Quelle. Die ist auch nach 1000 Jahren unverwüstlich. Sie entspringt an einem lauschigen Ort, umstanden von mächtigen Eichen, Buchen und Weißtannen. Überdacht von einem kleinen Häuschen plätschert der Quell seit unvordenklichen Zeiten und spendet etwa vier Liter in der Sekunde. Er bildet einen kleinen Quellteich mit Überlauf und mäandert als Bächlein durch den Wald. Sein Wasser läuft schnell. Einst versorgte er neben Warnsdorf auch Tharandt und Hartha.
Als ich die Tageslosung hörte, musste ich gleich an die ewigjunge Quelle in der 1000jährigen Wüstung denken. Ich finde es reizvoll, sich das Wort Gottes wie einen nie versiegenden Quell vorzustellen, der Leben und Gedeihen im Kommen und Gehen der Menschen und Völker spendet. Sekunde für Sekunde sendet er lebendiges Wasser und ist nicht zu stoppen.
Die Kirche tut nichts anderes als dieses Wort zu verkündigen. Ja, einer alten Begriffsbestimmung zufolge ist die Kirche selbst "creatura verbi", ein Geschöpf des Wortes. Sie hat ihr Leben einzig aus ihm. Es geht durch sie hindurch.
Hier kommen wir an einen neuralgischen Punkt. Es ist in der Geschichte der Kirche immer wieder vergessen worden, dass die Kirche verkümmert und ihre Botschaft vertrocknet, wenn sie aufhört, aus dem Wort Gottes zu schöpfen. Sie ist immer wieder den mannigfachen Themen des Zeitgeistes erlegen, wenn sie meint, ihre Verkündigung aus anderen Quellen speisen zu sollen. Das ist heute nicht anders als je und eine gottlose Unart. Sie verliert ihre Daseinsberechtigung, wenn sie so weitermacht. Mit Luther ist sie daran zu erinnern, dass Gott mit uns nicht anders handeln will, denn durch sein Wort und Sakrament.
Nun genug davon. Es liegt vielleicht in einer solchen Lamentatio mehr Kleinglaube als gut ist. Denn wie sich das Wasser einer Quelle, die man zuschüttet, im Verborgenen den Weg sucht, das Erdreich feuchtet und weiterfließt, so gilt mit dem Lehrtext:
"Gottes Wort ist nicht gebunden." 2. Tim 2,9