"Wohl denen, die das Gebot halten und tun immerdar recht!" Ps 106,3
"Man muss doch gute Taten vollbringen. Dazu ist man schließlich auf der Welt. Das Böse muss bekämpft und das Gute muss nach vorn gebracht werden. Sonst ist das Leben verpfuscht." So ähnlich denken viele, wenn nicht die meisten Menschen. Sie geben sich große Mühe. Und es ist ist wirklich gut gemeint. Aber, o weh, sie irren schauderhaft.
Ein alter Vorwurf gegen die lutherische Theologie und Kirche lautet, dass es fatale Folgen habe, wenn sie lehre, das Heil wäre im Glauben allein zu gewinnen, nicht durch gute Werke. Man hat nur zu gern die garstige Umkehrung gemacht: Luther habe gute verboten, gute Taten zu vollbringen. Das ist Unsinn.
Richtig und niemals zu leugnen ist, dass gute Werke - man mühe sich ab, wie man will - niemals die Erlösung bewirken können. Trotzdem sind sie notwendig. Nur eben in der rechten Reihenfolge. Das ist der springende Punkt. Denn dem Glauben an den dreieinigen Gott werden die guten Werke folgen. Das hat der Luther gesagt.
Das führt uns zu einer weiteren Jubiläumsschrift Martin Luthers aus dem Jahre 1520. Sie heißt: "Von den guten Wercken" (Hier das herrliche Titelblatt; wer mag, kann weiterblättern: http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd16/content/pageview/1083253) Sie ist auf Veranlassung Georg Spalatins, Sekretär des sächsischen Kurfürsten, verfasst worden. Er erinnerte Luther im Februar 1520 daran, dass er in einer Predigt davon geredet hätte, auch einmal etwas über die guten Werke zu schreiben. Von März bis Mai hat er das Büchlein in unglaublicher Produktivität niedergeschrieben. Luther selbst hielt es für eins seiner besten. Es enthält eine Auslegung der zehn Gebote.
Mancher mag denken: "Ach, schon wieder so eine alte Schrift! Die ist glatt 500 Jahre alt und doch wohl nur von musealem Interesse." Wer so denkt, weiß nicht, wovon er spricht. Er nehme sie zur Hand und fange an zu lesen. Er wird entdecken, dass sie frisch und klug ist, voller Schwung und Lebendigkeit. Wer sie liest wird geheilt von all den unsinnigen Imperativen, die auf uns tagtäglich hereinprasseln: "Wenn du ein guter Mensch oder ein guter Christ oder ein guter Arbeitnehmer oder ein guter Chef oder sonst was sein willst, dann musst du aber dies und das tun!" Mit Luther halten wir dagegen: Ätsch! Ich muss überhaupt nichts tun - außer Glauben.
Grundlegend ist hier das Erste Gebot: "Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir". In diesem gründen alle anderen Gebote und guten Werke. Ist es erfüllt, dann ergibt sich der Rest. Darum ist für Luther der Glaube an Gott "das erste und höchste, alleredelste gute Werk ... Denn in diesem Werk müssen alle Werke vor sich gehen ..., dass gutes Wesen in sie einströmt." (Luther, Ausgewählte Werke, Bd. 2, Stuttgart 1931, S. 9f) Gute Werke ohne Glauben dagegen sind tot. Alltäglich, niedrige Werke, wenn sie im Glauben getan werden, sind dagegen gut.
Was zeichnet diesen Glauben aus? "Hieran kann es nun jeder selber merken und fühlen, wann er Gutes und wann er nicht Gutes tut. Findet er nämlich sein Herz in der Zuversicht, dass es Gott gefalle, so ist das Werk gut, wenn es auch so geringfügig wäre wie das Aufheben eines Strohhalms." (S. 11)
Mit dem festen Vertrauen auf Gott hat der Mensch etwas gewonnen, das bleibt und Bestand hat, weil es nicht aus unserer menschlichen Sphäre stammt. Der Glaube ist auch deshalb so wertvoll, weil er uns bei allem Wechsel und Wandel von Tag und Jahr aus der Ewigkeit leben lässt. Wer aus Gott lebt, besitzt einen Haftpunkt in der Ewigkeit, aus der ihm Kraft zuströmt. Ja, im Glauben stehen wir über den Wechselfällen des Alltags mit all den flüchtigen Moden, deren Kommen und Gehen wir ganz gelassen zusehen dürfen. In diesem Sinne hält der Lehrtext fest: "Die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit." 1 Joh 2,17