Luther und das Apfelbäumchen

Andacht August/September 2020

Das Bild zeigt ein kleines Bäumchen, sagen wir mal ein Apfelbäumchen. Es steht in unserem Kindergarten. Na, das passt ja gut zu unseren kleinen Früchtchen.

Sofort denkt man an den berühmtesten Lutherspruch aller Zeiten, dass er heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen würde, auch wenn er wüsste, dass morgen schon die Welt unterginge. Jeder kennt ihn. Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass dieser Vers gar nicht von Luther stammt.

Das ist aber schade, mag mancher denken. Denn der heroische Elan, der sich in diesem Sprüchlein ausdrückt, ist doch irgendwie bemerkenswert.

Der betagte Theologieprofessor Martin Schloemann hat sich zeitlebens mit diesem vermeintlichen Lutherzitat befasst. Als ich noch Schüler war - es mag vielleicht um 1985 herum gewesen sein - habe ich ihn einmal in einem Vortrag in meiner geliebten Heimatstadt Görlitz selbst sagen hören, dass er sich langsam unsicher sei, dass dieser Vers von Luther selbst stamme. Denn er habe ihn in der umfänglichen Werkausgabe Luthers (etwa 100 dickleibige Bände) trotz intensiver Suche bisher nicht finden können. Damals suchte er noch. Heute, wo das Gesamtwerk Luthers längst digitalisiert ist, brauch es nur wenige Knopfdrücke für die entsprechenden Suchfunktionen, um ganz sicher zu sein: Luther hat diesen Spruch nie getan.

Schloemann hat herausgefunden, dass der erste Beleg des Verses aus einem Rundbrief der Bekennenden Kirche vom Oktober 1944 stammt. Ein Pfarrer namens Karl Lotz, der ihn schrieb, setzte ihn bei seinen Adressaten aber schon als bekannt voraus. Ausgedacht hatte er ihn sich also nicht. Bis heute ist nicht klar, wer ihn erfunden hat. Schloemann schätzt, dass das Anfang der 1930er Jahre gewesen sein mag.

Bald nach dem Kriege taucht er vielfach auf. Prominente wie Landesbischof Hanns Lilje und der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann zitierten ihn mit Blick auf das zerstörte, zerteilte und ruinierte Deutschland. In einem Interview erzählt Schloemann: „Ich hatte noch die Gelegenheit, beide dazu zu befragen. Lilje sagte, er hat‘s von Heinemann. Und Heinemann sagte, er hat‘s von Lilje.“

Wir finden, das Bild mit einem solchen Bäumchen passt gut in die Sommerausgabe unseres Gemeindebriefes, weil ja jetzt alles grünt und ordentlich fruchtet. Auch wenn das Apfelbäumchen-Sprüchlein nicht von Luther stammt, wollen wir es hoch halten. Denn was er ausdrückt, bleibt wahr: Der christliche Glaube trägt eine unverwüstliche Zukunftsfröhlichkeit in sich. Er tut das, was heute nötig ist. Er lässt sich niemals von irgendwelchen Schreckensszenarien lähmen. Genießen Sie in diesem Sinne den Sommer!

In herzlicher Verbundenheit grüßt Sie
Ihr Pfarrer Ilgner

Pfarrer Ilgner
Quelle
Gemeindebrief Christuskirche August 2020