"Der HERR, unser Gott, hat uns behütet auf dem ganzen Wege, den wir gegangen sind." Jos 24,17
So sprachen die Israeliten, nachdem sie das gelobte Land erreicht hatten, als Josua bei Sichem eine Versammlung aller Stämme einberufen hatte und den Bund zwischen Gott und dem Volk schloss.
Der "ganze Weg", von dem hier die Rede ist, meint die vierzigjährige gefahrvolle Wanderschaft durch die Steinwüste nach der Flucht aus Ägypten. Für die Alten war es das halbe Leben gewesen und für die Mittelalten das ganze. Die Kinder kannten gar nichts anderes. Sie wussten nicht, dass man überhaupt sesshaft werden kann.
Diese bösen, unsteten und ungewissen Jahre gehören bis heute zu den wichtigsten im kulturellen Gedächtnis der Juden. Sie sind einfach gar nicht wegzudenken. Damals hatte sich die Gemeinschaft der Stämme erst richtig gefunden, wie es in Gefahr und Entbehrung geschehen kann, dass man einander findet, zusammenwächst und eins wird. Das Volk Israel war auf der Wanderung entstanden. Vorher war es nur eine lose Menschengruppe entfernter Verwandter gewesen, deren Merkmal im Grunde nur die gemeinschaftlich zu erbringende Zwangsarbeit für Pharao gewesen war.
Mit der Freiheit war die Unsicherheit gekommen. Sie ist ein Merkmal der Freiheit. Der Freie steht vor der Zukunft mit tausend Möglichkeiten. Nur eine wird wahr werden. Wird es eine gute werden? Das ist die bange Frage zwischen Wagemut und Verzagtheit. Wir kennen sie alle aus unserem eigenen Leben.
Diese Frage hatte sich den jüdischen Wanderern vierzig Jahre lang gestellt. Nun waren sie in das gelobte Land gekommen und doch genauso klug als wie zuvor. Was sollte denn jetzt werden?
Sie waren alle beieinander und beredeten die Zukunft. Sie hätten alle Bande lösen und sich ganz frei und ungebunden verkrümeln können. Das Land lag offen vor ihnen. Da wurde ihnen plötzlich klar, dass man von der Zukunft mit ihren tausend ungewissen Möglichkeiten nicht reden kann, ohne an die Vergangenheit zu denken. Sie schlugen sich an die Stirn und beschlossen: Wir wollen gemeinsam auf dem Wege bleiben. Wir werden uns nicht verkrümeln, so dass es uns gar nicht mehr geben wird.
Plötzlich tauchten die Gefahren wieder vor ihnen auf. Sie schauderten in Gedanken vor den ägyptischen Kriegern, den Wogen des Schilfmeeres, dem gottlosen Kleinmut, dem sinnlosen Götzendienst, dem Hunger in der Wüste, dem Durst zwischen den Felsen, der Verzagtheit angesichts der Übermacht der Feinde und der Furcht, niemals ans Ziel zu kommen. Und durch das alles waren sie hindurchgekommen. War das ihr Verdienst gewesen? Nie und nimmer!
Es war alles ein großes, unerwartetes Wunder gewesen. Kein Mensch wäre je in der Lage gewesen, das zu vollbringen. Es musste Gott dahinter stecken. Wer sonst?
Es musste ihn also geben. Es war diese vierzigjährige Wanderung in Gefahr und Errettung ein sichtbarer, schlagender, klarer, gewisser und unanfechtbarer Gottesbeweis! Dass es uns überhaupt noch gibt, ist Beweis für das Wirken Gottes! So haben sie damals gedacht.
Mit dem Blick zurück auf unsere Geschichte, unsere persönliche, die der Kirche und überhaupt unsere deutsche Geschichte, können, nein müssen wir dasselbe sagen.
Darum werden wir uns unter allen Umständen festhalten an den göttlichem Wort Jesu: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Mt 28,20 Denn bei ihm liegt unsere Freiheit und Zukunft.