Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß. 28 Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten. (Mt 7,24-29)
Ich bin kürzlich auf den Rauenstein in der sächsischen Schweiz gewandert. Das ist ja das erste beste Felsplateau, das man von Dresden aus mit der Bahn erreicht. Gegen Ende der Wanderung, kurz vor dem Abstieg, da wo die kleine Gaststätte auf dem Felsen steht, hatte jemand zur Unterhaltung der Wanderer einige Karten an die Bäume geheftet. Es waren meist historische Ansichten des Rauensteins und der Umgegend. Nur eine Karte stach heraus. Sie zeigte keine alte Ansicht, sondern einen Spruch. Er lautete: "Noch ist der Sturm nicht gemeldet. Es ist nicht sicher, ob wir ihm gewachsen wären." Es stand kein Autor dabei. Die Worte haben mich aus irgend einem Grund getroffen. Ich habe auf dem ganzen Rückweg darüber nachdenken müssen. Warum eigentlich?
Die schrecklichen Bilder von sintflutartigen Starkregen, die Bäche zu reißenden Strömen verwandeln, die über die Ufer treten und ganze Häuser unterspülen und zum Einsturz bringen, sind nur wenige Wochen alt. Dass so etwas im Westen Deutschlands, in einer technisierten, digitalisierten und ihrer eigenen Möglichkeiten so sicheren Gegenwart überhaupt passieren konnte, hat die Zeitgenossen bis ins Mark erschrocken. Man hätte nicht gedacht, dass so etwas überhaupt möglich sei. Doch es ist geschehen und wird, in Abwandlungen und auf anderem Feld, wieder und wieder geschehen. Man betrüge sich hier nicht selbst.
Die Vorstellung einer über Nacht anschwellenden Flut, die alles mit sich fortreißt und Verderben bringt, gehört zu den archetypischen Schrecken der Menschheit. Und die Furcht vor ungebändigten Wassermassen ist eine Urangst. Sie lässt sich deshalb gut übertragen auf alle lebensbedrohlichen Erosionen und Unterspühlungen. Es gehört zum Wesen solcher Vernichtungen, dass sie unerwartet und bei Nacht geschehen.
Christus greift diese Urangst vor flutartigen Zerstörungen in unserem Leben auf, indem er an das Ende seiner berühmten Bergpredigt das Gleichnis vom Hausbau setzt. Es beschließt diese Redekomposition, die so essentielle und berühmte Stücke wie die Seligpreisungen, das Vaterunser, das Gebot der Feindesliebe und die Antithesen enthält. Es verleiht seinen Worten eine abschließende, unerbittliche Dringlichkeit. "Wer mein Wort hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute."
Es fällt mir auf - so bekannt das Gleichnis ist, ich hatte es nicht mehr in der Erinnerung -, dass Hören und Tun von Christus als Einheit betrachtet werden, zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das heißt, wer Christus hört und das, was daraus folgen muss, nicht tut, baut auf Sand. Und umgekehrt der, der den Bau seines Lebenshauses ohne das Wort Gottes voranzutreiben sucht, wird ihn ebenfalls in sich zusammenfallen sehen, wenn die reißenden Fluten kommen. Und sie kommen gewiss.
Denn das verheißt er nicht, dass es keine Hagelschläge, Überflutungen und grundsätzliche Gefährdungen in unser aller Leben geben wird. Die Leidensankündigungen über sein eigenes Schicksal zeigen ja auch deutlich, dass er sich der Gefahren, in denen er selbst schwebte, sehr bewusst gewesen ist. Er macht hier keine Ausnahme. Also, wir alle werden in Gefahren geraten, die unsere Fundamente zu unterspülen trachten. Sie werden gesundheitlicher, familiärer oder politischer Natur sein. Und sie werden unerwartet und bei Nacht kommen wie die Flut nach starkem Regen. Was ist da zu tun?
Mir scheint, dass aus dem Gleichnis vom Hausbau auf dem Felsen die denkwürdige Umbenennung des Apostelfürsten Simon in Petrus hervorgedacht wurde. Denn Christus sprach später zu Simon: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben" (Mt 16,18f.) Nun, war denn Petrus fest wie ein Fels? Wir wissen, dass er es nicht war, sondern großmäulig war er ("und wenn ich mit dir sterben müsste, so will ich dich nicht verleugnen") und verraten hatte er seinen Herrn, bis dass der Hahn krähte und ihn vor lauter Scham und Verzweiflung weinen machte. Petrus war zunächst alles andere als felsenfest. Aber, und das zeichnet ihn aus, er ist fest geworden im Hören auf das Wort und im Tun desselben. Dieser Apostel ist wie ein Fels geworden durch den Glauben an Christus und hat es mit der Tat bezeugt. Das steht fest.
Was bedeutet das für uns, die wir mitunter ebenfalls wie Blätter im Winde hin und her schwanken und Gottes Wort vielleicht hören, aber nicht tun? Dass wir, wie der Apostel Petrus, noch an Festigkeit gewinnen können und sollen. Es ist noch nicht zu spät dafür. So betrachtet ist das ganze Leben eine Schule im Festwerden, im Gewissheit erlangen, im Wachstum des Gottesvertrauens. "Nicht, daß ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich's auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin." (Phil. 3,12)
Hier gewinnen wir Anteil an der apostolischen Sendung des Petrus und der anderen Apostel und Gesandten Jesu, jeder von uns. Wer hörend tut und tuend hört, braucht vor nichts und niemand Angst zu haben, gleich was geschieht. Er weiß, dass ihm alle Dinge zum Besten dienen müssen.
Ich sagte, die Gefahren kommen unerwartet und aus einer Richtung, aus der wir sie nicht erwarten, ganz wie eine nächtliche Überschwemmung. Sind wir fest gegründet und haben auf einen Fels gebaut, können sie uns nichts anhaben. Das gilt auch für die garstigen, wandelbaren Strömungen des vorläufigen Zeitgeistes, die uns unablässig heimsuchen und im Begriff sind, die Grundfesten unseres christlichen Glaubens, unserer Kirche, unserer Bildung, unserer Kultur, unseres Staatswesens, unserer Selbstgewissheit, unserer Sprache, unserer Familie, unserer Geschichte, unseres Geschlechtes usw. zu unterspülen und zu destabilisieren. Sie machen vor nichts halt.
Dagegen gibt es nur ein einziges Mittel: Auf einen Fels zu bauen. Dann hört man das Brausen der anschießenden Ströme in der Tiefe des Fundamentes, geht aber ganz gelassen zum Fenster im 1. Stock, öffnet es und blick hinab, schüttelt leise den Kopf und sagt: Wo kommt diese garstige Schlammflut, angefüllt mit Trümmern von Zivilisationsmüll, nur wieder her? Bloß gut, dass unser Haus auf einem Felsen steht. Es wird halten und diese Fluten überstehen.
Das Haus, liebe Freunde, möchte ich dabei schließlich auch noch, wenn ihr gestattet, dynastisch verstehen. "Ihr und euer Haus", das seid ihr und eure Familie, Kinder und Kindeskinder. Betet ohne Unterlass, dass sie das Gebäude ihres Lebens ebenfalls auf dem Fels des Wortes Gottes errichten und tut, was ihr könnt, ihnen dazu zu helfen.
"Noch ist der Sturm nicht gemeldet. Es ist nicht sicher, ob wir ihm gewachsen wären." Noch nicht gemeldet? Nun, darüber kann man auch anderer Meinung sein. Und ihm nicht gewachsen? "Ich glaube, lieber Herr, hilf meinem Unglauben!" (Mk 9,24) Dann werden wir ihm gewachsen sein.