"Du bist ein Gott der Vergebung, gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte." Neh 9, 17
Genau genommen ist der Satz unserer Tageslosung äußerst spannungsreich. Denn unsere Lebens- und Welterfahrung ist von ganz anderer Natur. Er lässt uns aufhorchen, weil alles, was uns umgibt, nicht so ist, wie der Satz behauptet und es ist eine sehr einfache Rechnung, Gott, den Schöpfer und Geber aller Dinge, unter den Verdacht zu stellen, selbst nicht besser zu sein als seine äußerst mangelhafte Schöpfung, die, wer wollte das bezweifeln, von gnadenloser Gier und unbarmherzigen Interessen geleitet wird.
Ein aktuelles Beispiel gefällig? Einerseits heißt es: Alle Maßnahmen im Zusammenhang der so genannten Corona-Krise dienen nur dem Wohl und der Gesundheit der Menschen! Das ist die vielfach vorgetragene, offizielle Sicht auf alle einschneidenden Maßnahmen. Andererseits werden Stimmen immer lauter, die sagen: Wir werden erst noch sehen, wem diese Krise nützt. Sie fragen sich, ob und für wen sie ein prima Geschäftsmodell ist, wer hier sehr, sehr viel Geld zu generieren gedenket und pharmakologische Manöver und eine ordentliche Machterweiterung auf dem Feld digitaler Durchleuchtung der Menschheit bewerkstelligt. Tja, großes Problem. Wer weiß, wer weiß? Was verbirgt sich wohl hinter all den altruistischen Wortkaskaden? - Gut, so weit ein aktuelles Beispiel es ließen sich spielend mehr finden.
Für die Christenheit bleibt es, angesichts einer solchen Welt, von zentraler Bedeutung, die Gewissheit des Glaubens in die Liebe Gottes nicht zu verlieren. Der stachelige Gedanke, was das wohl für ein Gott sei, der so gewaltige Ungerechtigkeiten und Fehlentwicklungen zulässt, von Grausamkeiten und Übeln aller Art gar nicht zu reden, stellt sich an jedem Tag neu. Er ist uralt und vielfach bedacht.
Ich möchte ihm mit dem Gedankengang Martin Luthers vom "verborgenen Gott" (das Fachwort lautet: "Deus absconditus") begegnen:
Gott hält die Welt in der Hand. Nichts ist ihm entzogen. Er ist Herr der Geschichte und der Natur, des Lebens und des Todes, der Zerstörung und des Wachstums, des Gerichts und der Gnade - kein Sperling fällt ohne sein Wissen zur Erde. Wir Menschen stehen hier wie vor einem großen Geheimnis. Wir können sein Wirken und Walten nicht durchschauen. Die Einheit, die hinter seinem Handeln stehen mag, bleibt uns unbegreiflich, so sehr wir uns auch anstrengen. Für uns ist alles ein undurchdringliches Durcheinander von Licht und Finsternis. Hier begegnen wir dem "verborgenen Gott", der stumm, abgewandt, mehrdeutig, widersprüchlich und dunkel bleibt.
Wo nun offenbart sich Gott? Luthers Rat ist ganz klar: "Halte dich an den Gott, der Fleisch geworden ist, an Jesus, den Gekreuzigten." Der verborgene Gott offenbart sich in Christus. Fliehe die Betrachtung des verborgenen und flüchte dich zum offenbaren Gott hin. Lass dich nicht verwirren durch die verworrene Welt. Wende dich ab von den Rätseln, die dunkel bleiben und hin zur Klarheit Gottes auf dem Angesicht seines geliebten Sohnes. Lass dich nicht binden durch die "Macht" Gottes, sondern ergreife die "Freiheit" seines Wortes, Jesus Christus. Dieses Wort steht. Es ist unerschütterlich. Es ist ausgesprochen für dich. Des sollst du gewiss sein. Lass dich nicht verunsichern, als könnte Gott sein Wort nicht ernst gemeint haben. Gott ist doch kein Mensch:
"Sind wir untreu, so bleibt er treu; denn er kann sich selbst nicht verleugnen." 2 Tim 2, 13