Gedanken zur Tageslosung am Freitag, den 17. Juli 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

"Der HERR, euer Gott, ist der Gott der Götter und der Herr der Herren, der große, starke und furchtbare Gott, der kein Ansehen der Person kennt und keine Bestechung annimmt. " 5. Mose 10,17

 

Es gibt Bildungserlebnisse, die prägend für das ganze Leben sind. Es könnte das Jahr 1992 gewesen sein, da war ich ein kleiner Student. Prof. Reinhard Staats war für ein Semester Gastprofessor an der Universität Leipzig. In einer Übung, die ich zufällig besuchte, übersetzte er mit uns die so genannte "Akte der Märtyrer von Scili" (Passio sanctorum scilitanorum). Scili liegt in Notrafrika, heute ein Vorort von Tunis. Er hat die Prozessakte Satz für Satz kommentiert. Ich erinnere mich oft zurück an diese Stunde des Schauderns und der Bewunderung für diese Männer und Frauen, die z. T. namentlich bekannt sind.

 

Wir leben zur Zeit nicht unter Umständen, wo wir um unseres Glaubens willen Todesurteile zu gewärtigen hätten. Doch möchte ich dies einschränken. "Es kann vor Nacht leicht anders werden". Was ich jedenfalls sehe, ist eine grassierende Gottlosigkeit und das anbeten fremder Götter auf Schritt und Tritt. Besonders perfide ist, dass diese fremden Götter, die übrigens auch Opfer und Bekenntnisse verlangen, sich bemühen, unter der Maske des Altruismus, in Wahrheit aber aggressiv und voller Haß, zu erheben. Sie suchen schrittweise alles, was mir lieb ist, zu "denkonstruieren": Geschichte, Sprache, Tradition, Identität, Kirche und Glaube. Es bleibt also wichtig zu wissen, was es gilt und im Ernstfall zu sagen: "Christianus sum, Christiana sum".

 

Zurück zu den Märtyrern von Scili: Am 17. Juli 180 n. Chr., also heute vor genau 1840 Jahren, wurde eine Gruppe von Christen in Karthago vom römischen Proconsul Publius Vigellius Saturninus zum Tode verurteilt. Der kurze Bericht gibt das Verhör wörtlich wieder. Es ist ein Wunder, dass er die Jahrhunderte überlebt hat.

 

Grund für die Hinrichtung war die Weigerung der Christen, "beim Genius unseres Herrn, des Kaisers, zu schwören". Ihre Argumentation ist kurz und klar. Sie kannten den "Gott der Götter, den Herrn der Herren, den starken und furchtbaren Gott, der kein Ansehen der Person kennt und keine Bestechung annimmt." Es war eine ernste Sache.

 

Der Proconsul Saturninus fordert, dass sie Vernunft annehmen, beim Genius des Kaiser schwören und für ihn beten sollen. 

 

Speratus, der Wortführer der Christen, antwortet: Sie hätten sich keines Verbrechens schuldig gemacht, zahlten Steuern und ehrten den Kaiser. Dann sagt er einen wunderbaren Satz. Er ist ohne jede Furcht und Ausdruck höchster Freiheit. Speratus nennt ihn "ein einfaches Geheimnis" (mysterium simplicitatis):

 

"Ich kenne keine Herrschaft dieser Welt, sondern ich diene jenem Gott, den kein Mensch je gesehen hat noch mit Augen sehen kann." (Ego imperium huius seculi non cognosco; sed magis illi Deo servio quem nemo hominum videt nec videre his oculis potest.)

 

Die anderen Männer und Frauen stimmen ihm zu. Sie stehen wie Säulen, einer wie der andere. Ich gebe ihre kurzen Bekenntnisse wörtlich wieder:

"Kittinus antwortete: Wir fürchten niemanden außer Gott, unseren Herrn, der im Himmel ist. (Nos non habemus alium quem timeamus nisi dominum Deum nostrum qui est in caelis.)

Donata sagte: Ehre dem Kaiser als dem Kaiser, Furcht aber Gott. (Honorem Caesari quasi Caesari; timorem autem Deo.)

Vestia sagte: Ich bin Christin. (Christiana sum.)

Secunda sagte: Was ich bin, das will ich sein." (Quod sum, ipsud volo esse.)

 

Der Proconsul gibt ihnen 30 Tage Bedenkzeit, ob sie es sich nicht anders überlegen wollen. "Speratus sagte: In einer so gerechten Sache gibt es kein Überlegen." (In re tam iusta nulla est deliberatio.)

 

Daraufhin folgt der Schuldspruch. Wiederum völlig überraschend ist, wie er aufgenommen wird:

 

"Speratus sagte: Wir sagen Gott Dank. (Deo gratias agimus.)

Nartzalus sagte: Heute sind wir Zeugen im Himmel. Gott sei Dank." (Hodie martyres in caelis sumus. Deo gratias.) ...

Alle sagten: Gott sei Dank. Und sogleich wurden sie für den Namen Christi geköpft. Amen."

 

"Selig sind, die reinen Herzens sind: denn sie werden Gott schauen." Mt 5,8

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019