Gedanken zur Tageslosung am Dienstag, den 10. August 2020

von Dr. Friedrich Christoph Ilgner 

 

Gideon sprach: "Ich will nicht Herrscher über euch sein, sondern der HERR soll Herrscher über euch sein." Ri 8,23

 

Wer geschichtlich interessiert ist, hat vielleicht schon die berühmte Reichskrone betrachtet, mit der die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation einst gekrönt wurden.  Sie liegt heute, zusammen mit den anderen Reichskleinodien, hinter Panzerglas in der Schatzkammer der Wiener Hofburg, einstweilen ein museales Relikt. Was sie in Wahrheit bedeutet, welche Botschaft sie trägt und welchen Sinn sie hat, ist heute fast völlig vergessen. Der junge Goethe, der Augenzeuge der Krönung Josephs II. in Frankfurt gewesen ist, berichtet in "Dichtung und Wahrheit" schon leicht despektierlich. Mir scheint, schon damals war der Weg ins Unverständnis vorgezeichnet. Heute liegt sie im Museum herum. Ob sie von diesem tristen Ort einstmals erlöst werden wird, weiß der Himmel.

 

Sie ist voller symbolischer Botschaften; sie ist auch selbst zum Symbol geworden. Ihr Besitz legitimierte den Herrscher und seine Herrschaft. Nicht, wie man irrtümlich denkt, als willkürlichen Gewaltherrscher. Wenn manche unter den Trägern ihr Amt schlecht versehen haben, haben sie gegen die Botschaft der Krone gehandelt. Aber das ist nicht der Regelfall gewesen. Nur eine unverständige Geschichtsschreibung hat nicht mehr verstehen können, in welchem Geist sie die Krone tragen sollten.

 

Was meine ich? Die Krone ist unter den Reichsinsignien die wichtigste und die "sprechendste". Sie trägt mehrere Emailleplatten, die Bilder und Worte tragen. Ich greife einer heraus: Sie zeigt den thronenden Christus. Darüber stehen mit roter Schrift die Worte: "P[er] ME REGES REGNANT" (Durch mich regieren die Könige.). Hier wie auch in den anderen Darstellungen und Bibelworten ist die geistliche Dimension aller Herrschaft angesprochen. Sie bedeutet dem, der die Macht haben soll, dass er selbst nie das Maß aller Dinge sein darf. Einer ist und bleibt über ihm. Der gibt ihm Macht, Weisheit, Gerechtigkeit, Gottesfurcht und Gnade zum segensreichen Wirken. Wer dies verachtet, wird scheitern. Wer meint, seine Macht ungerechtfertigt absolut setzen und das Wort Gottes in den Wind schlagen zu dürfen, erweist sich dieses Amtes und Dienstes als unwürdig.

 

Das ist mit dem vielgeschmähten und missverstandenen "Gottesgnadentum" gemeint, das eine ehrfurchtgebietende, gute Sache war. Es ist gerade nicht die verlogene Ermächtigung zu einer enthemmten Willkürherrschaft, was sozialistische Historiker bis heute fälschlich behaupten. Im Gegenteil. Ich wünschte, die Regierenden unserer Tage hätten auch nur eine entfernte Ahnung von der tiefen Bedeutung des Handelns im Bewusstsein der Gnade Gottes. Sie würden Recht und Gesetz nicht so dreist beugen und sich mit Lug und Trug ins rechte Licht zu setzen versuchen.

 

Dass übrigens der Amtsteid des deutschen Bundeskanzlers den fakultativen Zusatz "so wahr mir Gott helfe" besitzt, ist gut und schön. Aber es ist trotzdem nur ein schwacher Abglanz des "Per me reges regnant". Denn Gott agiert darin eben nur noch als Helfer.

 

Der Richter Gideon war aus anderem Holz gemacht. Er sollte herrschen. Das ist ihm auch nur recht mäßig gelungen. Aber sein Wort bleibt großartig. Er wusste: In diesem Moment wusste er: Ich bin ein fehlbarer Mensch. Als solcher werde ich Verantwortung übernehmen. Nicht aber gegen Gott und sein Wort. Sondern er muss tun, was nötig ist. Er wird es auch tun.

 

Was hat das mit uns zu tun? Nun, es kommt die Zeit, da wir wieder unser Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen dürfen. Man darf die Bewerber für die hohen Ämter auf ihre Gottesfurcht hin prüfen. Man muss den Leuten, die sich so dreist nach vorn drängeln, nicht willfahren.  

 

Sodann, noch viel wichtiger: Jeder von uns hat einen Bereich in der Familie, am Arbeitsplatz oder in Bekannten- und Freundeskreis, in der er zuständig und verantwortlich ist für Menschen und Sachen. Freilich sind wir keine gekrönten Häupter oder besonders mit Ehren überhäufte Würdenträger. Aber, wer weiß. In dem kleinen Wirkungskreis, der uns anvertraut ist, in dem wir arbeiten sollen, in dem wir in gewissem Umfang auch das Sagen haben, soll in demselben Geist und Bewusstsein gewirkt werden, in dem das Wort des Gideon fiel. Oder das des Apostels Paulus: "Nicht der ist bewährt, der sich selbst empfiehlt, sondern der, den der Herr empfiehlt." 2. Kor 10,18

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019