Tageslosung für Dienstag, den 31. März 2020
"Jene, die fern sind, werden kommen und am Tempel des HERRN bauen." Sacharja 6,15
Ab und zu erzähle ich den Kindern unseres Kindergartens eine biblische Geschichte. Bei dieser Gelegenheit kam einmal Mädchen auf mich zu und berichtete mir von ihrem Urlaub. Sie wollte mir etwas besonders Nettes sagen und beendete ihren Bericht mit dem Satz: "Wir sind sogar in ein Gottmuseum gegangen". Ich glaube, sie meinte, dass sie mit den Eltern eine Kirche besichtigt hatte.
Es gehört zu den irritierenden Zeichen unserer Zeit, dass die Kirchen unseres Landes sehr oft nur noch als "Gottmuseen" wahrgenommen werden. Ich gehe sehr häufig in Museen. Aber manchmal schon hat mich der Gedanke beschlichen, dass es genau genommen schreckliche Orte sind. Obwohl hier Kunstwerke mit großem Aufwand und sehr viel Geld präsentiert werden, bleiben Museen irgendwie tote Orte. Die Bildwerke sind aus dem Zusammenhang gerissen, dem Ort, für den sie geschaffen wurden, entfremdet. Der Anlass ihrer Entstehung ist längst vergessen und verloren. Sie sind angehäuft in einer solchen Zahl, dass man beim besten Willen gar nicht die Kraft hat, sie alle zu besehen. Besonders intensiv spüre ich das, wenn neben allerlei Landschaften und Porträts unversehens Altarbilder an der Wand hängen. Sie waren zum Schmuck des Altars gemeint, des Kraftzentrums eines jeden Gotteshauses, des Thronsessels Gottes (Jes. 6) und des Ortes der Feier des Heiligen Mahles, des Geheimnisses seiner sakramentalen Gegenwart. - Nun gut, wir haben uns daran gewöhnt.
Das einigende Band zwischen Losung und Lehrtext des heutigen Tages ist der Tempel bzw. die Wohnung Gottes.
Sacharja redet vom Jerusalemer Tempel. Er war erstmals unter König Salomo erbaut, im Jahre 586 v. Chr. von den Babyloniern vernichtet, 515 v. Chr. durch die Heimkehrer aus dem Exil wieder errichtet (der zweite Tempel), von Herodes dem Großen prächtig erweitert, aber im Jahre 70 von den Römer geplündert und zerstört worden. Er ist bis heute wichtig als Fluchtpunkt der Sehnsucht orthodoxer Juden. Einstweilen ist ihnen nur der westliche Teil der Umfassungsmauer der herodianischen Tempelplattform als "Klagemauer" geblieben. Immer geht es darum, in Zeit und Raum einen Ort zu haben, in dem die Nähe Gottes konkret wird.
Auch der christliche Glaube schafft sich Räume, die der Verkündigung der Gegenwart Gottes dienen. Unsere Kirchen - sie überziehen Deutschland wie ein Netz - sind bleibende Orte der Stille, des Friedens, der Anbetung und der Verkündigung. Das ist ihre Bestimmung. Es ist interessant zu sehen, dass diese meistenteils stummen Gebäude eine Ausstrahlung haben, die fast nicht erklärt werden kann. Wenn eine Kirche abgerissen werden soll, weil sie vielleicht gar nicht gebraucht wird oder nicht unterhalten werden kann, finden sich wundersam Menschen, die sich in Heimatvereinen organisieren. Dann gilt wieder: "Jene, die fern sind, werden kommen und am Tempel des HERRN bauen." Wie ist das zu erklären?
Ähnliches gilt im Katastrophenfall, bei Amokläufen und ganz besonders schweren Unfällen. Plötzlich sind die stillen Kirchen als Verkörperung eines jenseitigen Friedens unverzichtbare Orte von Gebeten, Kerzen und Blumen, um trotz des Unfassbaren weiterleben zu können. Sie sind ganz offensichtlich Orte des Heiles.
Das Neue Testament überträgt das Wort vom Tempel Gottes auf die Menschen: "Durch Jesus Christus werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist." Epheser 2,22. Noch elementarer in 1. Kor 6,19) Was meint der Apostel damit? Welche Konsequenzen für meinen Leib, meine Seele und meinen Geist soll ich daraus ziehen? Kann das konkret werden in Raum und Zeit? Bin ich auch schon im Begriff, zu einem "Gottmuseum" zu werden?